Was danach geschah

… ein Jahr später …

 

An das alltägliche Leben nach Kristinas und meiner Weltreise haben wir uns während unserer Wochen und Monate in anderen Ländern kaum gedacht. Klar, ganz dunkel und vage tauchte immer wieder der Begriff „Zukunft“ in unseren Köpfen auf, doch so wirklich beachtet haben wir ihn nicht.

Heute, am 24.September 2015, befinden wir uns in eben jener Zukunft, die wir uns beim besten Willen nicht ausmalen konnten – und wollten!

Krissis Weg seit unserem Abflug vor ganz genau einem Jahr (am 24.9.2014 um 15:10 Uhr hoben wir nach Havanna ab) ist in wenigen Worten zusammengefasst: Das Reisehuhn reist nach wie vor. Gerade ein bisschen Indonesien, davor entspannt Philippinen und Singapur und bald kommt auch noch ein wenig Kambodscha. Sie macht jedenfalls ihrem Titel als REISEhuhn bisher alle Ehre.

Naja, natürlich bin (oder muss ich jetzt sagen „war“?) ich auch eines der Reisehühner, aber wie ihr alle wisst, war meine Weltreise mit meiner Landung am 28.6. zu einem Ende gekommen. Doch seitdem ist die Erde ja nicht stehen geblieben. Sie hat sich weitergedreht und mich mitten rein rutschen lassen in die ungewisse Zukunft, über die ich mir dann in den letzten Wochen meiner Reise durch Asien doch zugegebenermaßen ab und zu Gedanken gemacht habe...

 

Der wahrscheinlich klarste Moment, in dem ich merkte, dass ich nun wirklich wieder zu Hause, also in Deutschland bin, war eine banale Situation in einem Supermarkt. Gleich am Folgetag nach meiner Ankunft war ich mit meiner Schwester einkaufen. Und beim Bezahlen rief die Kassiererin ihrer Kollegin durch den Laden etwas zu – auf Deutsch! Das mag für alle, die noch nie länger im anderssprachigen Ausland waren seltsam klingen, doch wenn man so darauf eingestellt ist, dass die Gesellschaft um einen herum selbstverständlich in einer fremden Sprache kommuniziert, ist es wirklich verwirrend, wenn auf einmal das Leben außerhalb der „Blase“, in der man sich als Reisender bewegt, in der eigenen Muttersprache stattfindet. Hilfe, keine normal lautes Lästern mehr, keine Möglichkeit mehr, eben mal auf Durchzug zu schalten und nicht zuzuhören, weil mein Gehirn bei Deutsch gar nicht anders kann, als einfach IMMER zu verstehen und zu verarbeiten.

Nun ja, der Mensch gewöhnt sich ja bekanntlich an alles und so war es bald schon normal, mich wieder mitten in Deutschland zu befinden. Allerdings gab es während der ersten vier oder fünf Wochen kaum einen Tag, an dem ich in Gedanken nicht an irgendeinem anderen Ort dieser Erde war. So viele Erlebnisse, Eindrücke, Bekanntschaften und Gefühle brauchen eben ihre Zeit, um verarbeitet zu werden.

 

Den Juli verbrachte ich größtenteils damit, Bewerbungen als Quereinsteigerin an Firmen zu schicken, deren Ausschreibungen sich in meinen Ohren sehr interessant anhörten. Leider beruhte das Interesse in keinem Fall auf Gegenseitigkeit und so wurde es einfach nichts mit einem Job.

 

Wer einmal Reiseluft geschnuppert hat, kann verstehen, dass ich, obwohl ich „doch gerade erst wieder zurückgekommen“ bin, schon wieder neue Reisepläne schmiedete, wenn auch nicht so große wie die Monate zuvor. Aber all die Wochenenden im Juli, August und sogar im September hatte ich schon nach kurzer Zeit verplant. Amsterdam, Ilmenau bei Erfurt, Konstanz, Marseille, Berlin, Dresden, Prag, nochmal Berlin, München – sehr gut gelaunt packte ich mindestens einmal die Woche mein Köfferchen (der Rucksack hat sich erst mal eine Pause verdient) und stieg noch ganz in Gewohnheit in Bus, Bahn und Flugzeug um Freunde zu besuchen, die ich ja nun lange nicht gesehen hatte, oder mich mit Bekanntschaften der Reise wieder zu treffen.

Ich glaube, dieses Unterwegssein im Kleinen hat mich vor einem Loch gerettet, in das man schnell zu fallen droht, wenn man von einer Reise wie der von uns Hühnern zurückkommt und erst mal nichts zu tun hat. Klar, mein Trip um die Welt war zu Ende, aber das hieß nicht, dass ab jetzt Stillstand herrschen muss! Manch einer fragte mich dezent, ob das nicht alles ein bisschen viel wäre so direkt nach meiner Rückkehr. Hallo?! Ich war mehrere MONATE unterwegs, da fühlen sich doch Wochenenden so kurz an wie ein Wimpernschlag. Außerdem ist reisen, ob nun nach Timbuktu oder nur ins Dorf hinter dem nächsten Hügel, doch nie etwas unangenehmes. Dieses Gefühl der Unabhängigkeit, dass man theoretisch jederzeit überall hin gehen, fahren oder fliegen kann, wo man möchte, ist doch mit eines der besten Dinge, die es gibt!

Nachdem meine Bewerbungen alle ohne Aussicht auf einen baldigen Erfolg abgelehnt wurde, war ich froh, jemand zu sein, die gerne noch einen Plan B in der Hand hat. Meiner sah in dieser Situation wie folgt aus:

Noch als ich in Thailand auf dem Inselchen Koh Pha Ngan recht faul am Strand lag und mich von den "Strapazen" der Vollmondnacht erholte, hatte ich einen überaus kurzen, aber dennoch die Zukunft betreffend produktiven Moment. Ich füllte online einen Bewerbungsbogen für den Master Sprechwissenschaft aus und sendete ihn an die Universität in Halle an der Saale. Eigentlich hatte ich ja genug von Uni und lernen und diesem ganzen Kram. Aber bevor ich von Hartz IV lebe, gehe ich doch lieber nochmal an die Hochschule.

Der einzige Master, dessen Zugang mir mit meinem Bachelor-Abschluss möglich war und den ich auch so interessant fand, dass ich mir vorstellen konnte, im Notfall dafür zu lernen, war eben jene Sprechwissenschaft in Halle (Für die besonders Interessierten: Sprechwissenschaft beschäftigt sich zum einen mit Rhetorik, Sprechkunst und -training, zum anderen mit Stimm-, Schluck- und Sprechstörungen und deren Therapie). In meinem Bachelor-Studiengang hatte mich von Anfang an der phonetische Teil am meisten interessiert, also die Aussprache des Deutschen. Daraufhin schrieb ich meine Bachelor-Arbeit in dem Bereich und fand durch Zufall auch für den vergangenen August eine Stelle als Phonetik-Dozentin in einem Sprachkurs für ausländische Studenten.

 

Tatsächlich kam Anfang August der Bescheid aus Halle, dass ich zu dem Master zugelassen worden war. Klar war das nämlich nicht, da ich keinen Abschluss im gleichnamigen Bachelor „Sprechwissenschaft“ abgelegt habe, das aber eigentlich Voraussetzung zur Teilnahme am (konsekutiven) Master ist. Glück gehabt :-)

Insofern steht damit mein Plan für mindestens die nächsten zwei Jahre: Studieren in Halle!

Mit einem guten Freund hatte ich Wochen zuvor noch gewitzelt, dass wir eine WG gründen, falls ich den Platz in Halle bekäme. Nun machten wir Nägel mit Köpfen und ließen auf Worte wirklich Taten folgen. Da es für mich nicht in Frage kam, nach Halle zu ziehen, wo doch Leipzig nur wenige Kilometer entfernt liegt, machten wir uns auf die Suche nach einer geeigneten Wohnung. Die 16.Besichtigung lieferte uns dann auch einen Treffer und schwuppdiwupp hat das eine Reisehuhn wieder ein echtes Zuhause :-)

 

Als hätte es der 24.9. auf mich abgesehen und würde in meinem Leben neuerdings immer wichtige Ereignisse an diesem Tag geschehen lassen, ist heute, ja heute, mein Umzugstag von Weinhof nach Leipzig.

Da reise ich ein dreiviertel Jahr um die Welt, um am Ende doch wieder genau dort zu landen, von wo ich gestartet bin. Verrückt, oder?

 

Ich freue mich jedenfalls schon tierisch auf das, was kommt. Hätte man mir das noch vor ein paar Monaten gesagt, hätte der- oder diejenige wohl von mir einen Vogel gezeigt bekommen. Aber auch wenn man es nicht für möglich hält: Irgendwie kommt schon immer alles so wie es soll und wird am Ende (hoffentlich) gut.

Neben dem Studium, auf das ich mittlerweile schon sehr gespannt bin (seine Stellung als Plan B oder gar C oder D hat es hinter sich), freue ich mich auch auf die spannende Herausforderung, die mein zukünftiger Nebenjob darstellt. Da ich nicht umsonst Deutsch als Fremdsprache studiert haben wollte, werde ich mir ab nächster Woche mein täglich Brot mit Sprachunterricht in einem Integrationskurs verdienen. Deutsch für Anwärter auf die deutsche Staatsbürgerschaft sozusagen.

Ab 5.10. geht dann auch das Studium los – ich bin also untergebracht.

 

Ein neuer Start in der alten Heimat. Back to the roots, wer hätte es gedacht.

Jetzt fehlt nur noch Reisehuhn Nummer zwei, das sich in den Strudel der Zukunft werfen muss und dann hoffentlich auch seinen Platz irgendwo findet.

Meine liebste Kristina, hab noch eine ganz tolle Zeit unterwegs! Ich warte auf dich – in Leipzig, wie immer :-*

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