Italien – darauf hatte ich mich seit Wochen gefreut und nun konnte es endlich losgehen. Nach der Erkundung der Welt habe ich beschlossen, den Sommer auf der Nordhalbkugel auszunutzen, um unser schönes Europa zu erkunden. Bei den Überlegungen zum Ziel hatte ich ein konkretes Bild vor Augen: tolles Wetter mit viel Sonne, gutes Essen, schöne Städtchen und Strände bitte auch sehr gerne. Da fiel die Wahl ziemlich schnell auf Bella Italia!

Da ich noch einige Dinge für die Uni zu tun hatte und gerne flexibel bleiben wollte, habe ich kein Flugticket gebucht, sondern mich am Ende für einen direkten Nachtbus von Leipzig nach Mailand entschieden. Der Preis: 45 Euro drei Tage vor der Abfahrt, da kann man schon mal spontan buchen.

 

Es ging also am 13.8. um 23.45 Uhr los, und wie hätte es anders sein sollen, habe ich natürlich kaum geschlafen. In nicht wenigen Momenten habe ich mich nach Peru zurück gewünscht, in einen komfortablen Bus von „Cruz del Sur“ mit fast waagrecht zurückklappbaren Lehnen. Tja, willkommen in der deutschen Wirklichkeit… Doch nicht nur die Sitze haben mich vom Schlafen abgehalten, ich konnte auch nicht aufhören, die anderen Mitfahrer im bis auf den letzten Platz belegten Bus zu beobachten und mir meine Gedanken dazu zu machen.

Da gab es die 3er Gruppe Mädels mit fransigen Hippie-Jeans, Panda-Ansteckpin am Top, gedrucktem Taschenwörterbuch Italienisch (wie, keine App?!), eine hatte ein in indisch anmutendem Stoff eingeschlagenes Kopfkissen und – das bisherige Bild komplettierend - eine hatte den Namen Karlotta, die trotz Bio-Proviant von Märchenwiese das leicht zerdrückte Ende der Banane lieber in der Mülltüte als im Mund verschwinden ließ.

Dann war da die Frau, die lachte wie eine Hyäne, die sich mit einer Artgenossin um ein Stück Aas streitet und schon direkt nach dem Grenzübertritt ihr Smartphone (an einem Selfiestick montiert) in die Höhe hielt, um sich und ihr Rudel in vielfacher Ausführung in der immer gleichen Pose auf ihrem iPhone-Display abzulichten.

Vor mir saß während der Fahrt ein Paar, das gut die Verkörperung von jeglichen Gegenteilpaaren hätte darstellen können. Die junge Frau war körperlich betrachtet die Hälfte ihres Freundes und hat fast pausenlos Anweisungen à la „Du musst ein bisschen schlafen, Schatz“, „Mach die Augen zu, Schatz“, „Schatz, leg doch deinen Kopf hier hin“, „Mach deinen Sitz zurück, Schatz. Das ist viel bequemer“ gegeben. Tja, da hat wohl der Schatz die Hosen eindeutig an seine bessere Hälfte abgegeben...

Schließlich hatte ich auch noch genügend Zeit, meinen Sitznachbarn genau zu studieren: der immer schlafende Fashionfreak, der wahrscheinlich die ganze Strecke von Berlin bis Mailand fuhr (er saß nämlich schon in Leipzig im Bus). Mister Pomadenhaar trug teuer anmutende Lederschuhe, dazu eine helle Hose und über einem grasgrünen Poloshirt lag wie eine Decke ein Sakko mit rotem Hahnentrittmuster, in dem ein Tuch in Paisley-Optik in der Brusttasche steckte. Die goldumrandete Sonnenbrille machte sein Gesicht zusammen mit dem Schnauzer zum perfekten Abbild des typischen Gigolo. Höchstwahrscheinlich ein Italiener.  

(Tatsächlich hat er kurz vor der Ankunft in Mailand sein klingelndes Handy abgehoben und auf Italienisch geantwortet. Wuhuu, 100 Punkte Alena! Aber das war ja auch nicht so schwer.)

 

Etwas geschlaucht hielten wir für eine kurze Pause in Bozen und als ich die doppelsprachigen Schilder gesehen habe, ist mir ert richtig bewusst geworden: Jetzt geht es los! Ich bin in Italien, juhu! Um die Lebensgeister zu wecken gab's erst mal einen Cafè, aber oh, was war das? Ein Espresso? So habe ich gleich meine erste Lektion in Sachen Italienische Küche gelernt. Wie immer auf Reisen freue ich mich nämlich auch diesmal besonders auf die kulinarischen Eindrücke :)

 

Nach den meist sehr positiven Erfahrungen mit Couchsurfing auf der Weltreise habe ich auch diesmal wieder vor, bei so vielen Einheimischen wie möglich zu übernachten. Für Mailand hieß mein Gastgeber Antongiulio, der sich als Glücksgriff erwiesen hat. Als Haus-Sitter wohnt er momentan im Haus seines Cousins, der selbst auf Reisen ist. Das Haus liegt zwar eher am Rand der Stadt, allerdings war die Strecke bis ins Zentrum ganz einfach mit der Straßenbahn in 20 Minuten zu fahren.

Willkommen in Mailand!
Willkommen in Mailand!

Als ich ankam, war gerade noch ein Freund, Pierluigi, zu Besuch (Über den Namen lässt sich streiten, aber der Anblick dieses äußerst attraktiven Menschen hat meine Vorfreude über die weitere Reisezeit gleich um einiges gesteigert ;-)). Nach einem einfachen, aber äußerst köstlichen Mittagessen (Spaghetti mit Zucchini und Sahne; hat Pierluigi gekocht... :-D) habe ich mich alleine ins Zentrum begeben, da die beiden Herren noch für ihre Uniprüfungen lernen mussten.

Das sagenumwobene erste Wappentier von Mailand
Das sagenumwobene erste Wappentier von Mailand

Bei meinem Bummel durch das Stadtzentrum wurde ich beim Fotografieren von zwei älteren Herrschaften angesprochen. Wenn ich das wahre Symbol von Mailand vor die Linse kriegen will, müsse ich ein paar Meter weitergehen und nach „Scrofa Semilanuta“, einem halbnackten Schwein Ausschau halten. Der Mann sprach ziemlich gut Deutsch, allerdings an manchen Stellen ordentlich mit englischen und auch italienischen Begriffen gewürzt. Die Frau hingegen sprach nur Italienisch, aber es war sie, die mir hinterhergelaufen kam, als ich in die vermeintlich richtige Richtung ging, um das Schwein im Stein zu fotografieren. „Falsche Richtung, falsche Richtung!“ rief sie. Mit Händen und Füßen haben wir uns verständigt, bis wieder ihr Mann zur Stelle war und mir nochmal und nochmal die Geschichte vom ursprünglichen Wappentier Mailands vorbetete. Total lieb, aber irgendwann habe ich mich dann galant aus der Affäre gezogen, um die Legende nicht noch ein viertes Mal zu hören. Trotzdem ein schönes und lustiges Erlebnis.

 

Als ich zurück kam, sind wir drei (Antongiulio, Pierluigi und ich) einkaufen gegangen und mein Gastgeber hat ein wirklich professionell aussehendes Caprese gezaubert. Büffelmozzarella mit saftigen Tomaten und frischem Balsikum, dazu ein bisschen Brot - fertig war ein leichtes, aber unglaublich leckeres Abendessen. Wer unseren normalen Mozzarella gewöhnt ist, dem explodieren bei frischem Mozzarella di Bufala die Geschmacksnerven! Ich habe am Ende sogar die restliche Flüssigkeit auf dem Teller mit dem Brot aufgesaugt, weil es einfach so gut geschmeckt hat!

Der nächste Tag war der 15.8., was deshalb erwähnenswert ist, weil das der italienische Nationalfeiertag ist und somit alles - und ich meine wirklich ALLES - geschlossen hat. Trotz alledem wollte ich ja ein bisschen was von der Stadt sehen und habe gemeinsam mit Antongiulio eine kleine Route zusammengestellt, bei der ich zumindest einen guten "äußerlichen" Eindruck bekommen würde. 

Der Mailänder Dom von innen
Der Mailänder Dom von innen

Zuerst war ich den Dom besuchen, der wahrscheinlich die einzig geöffnete Sehenswürdigkeit an diesem Tag war. Dementsprechend lang war die Schlange davor, doch ich dachte mir, wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir das schon mal anschauen. Für einen kleinen Obulus von 2€ kann man den Duomo di Milano von innen besichtigen, allerdings nicht ohne vorher vollständig alle mitgebrachten Taschen vor den Augen der Sicherheitsleute zu leeren und sämtliche Etuis, Dosen, Packungen etc. einmal zu öffnen. Um sich zu vergewissern, dass in den Flaschen tatsächlich nur durststillende Getränke waren, musste jeder Besucher unter Beobachtung einen Schluck aus seiner Flasche nehmen. Ich weiß ja nicht, wie streng die Kontrollen sonst sind, aber mir kam es schon so vor, als würde sich gerade in solchen Situationen die aktuelle Terrorgefahr in Europa deutlich bemerkbar machen. Egal, wohin man geht, sieht man nämlich auch mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten des Militärs.

Nun gut, aber ich mache ja Urlaub und möchte zumindest in diesen Tagen nicht an mögliches Unheil denken, sondern einfach nur Land, Leute und Wetter genießen. 

Nach dem Dombesuch bin ich insgesamt noch fünf Stunden durch die Straßen gebummelt, durch die bekannte Galleria Vittorio Emanuele II, einer sehr edlen Einkaufspassage, vorbei am Teatro alla Scala, durch das Szeneviertel Brera (wo natürlich nicht viel zu sehen war, da alles geschlossen hatte) bis zum sogenannten Bosco Verticale (Vertikaler Wald), einem Trio von Hochhäusern, die mit Bäumen bepflanzt sind. Ein beeindruckender Anblick!

Während ich so durch Mailand lief, machte ich mir Gedanken, wie es weitergehen soll. Rom? Florenz? Bologna? Da ich als Alleinreisende das Zepter komplett selbst in der Hand habe, konnte ich mich erst gar nicht entscheiden, welche Route ich wählen sollte, um am Ende in Apulien zu landen (denn diese Region war das Ziel, alles andere davor nur der Genuss des Weges dorthin). Allerdings beantwortete sich die Frage recht schnell von selbst, als mir eine Freundin, die ich in meinem Auslandssemester in Spanien kennengelernt hatte, schrieb, sie wäre diese Woche in Rom.

Beim Suchen nach geeigneten Bussen/Zügen/Mitfahrgelegenheiten von Mailand nach Rom fand ich schließlich mit Antongiulios Hilfe einen Schnellzug für den übernächsten Tag. Sonderangebot: 1. Klasse, 3,5 Stunden (statt 5 mit dem Auto oder gar 8 mit dem Bus) für unter 50€. Gekauft! Allerdings hieß das, dass ich spontan einen Tag länger in Milano bleiben würde, denn eigentlich hatte ich nur zwei Nächte in dieser Stadt eingeplant. Aber Antongiulio und ich verstanden uns sowieso so gut, dass ich mich im Grunde freute, noch ein wenig länger zu bleiben. Obwohl wir uns erst zwei Tage kannten, fühlte es sich an, als säße ich an den Abenden mit einem langjährigen Freund zusammen über einem Glas Wein und gutem Essen, um über Gott und die Welt zu reden. An keinem der Tage kamen wir vor 3 Uhr nachts ins Bett (obwohl der arme Kerl wegen seiner Arbeit um halb 8 aufstehen musste), weil wir auf immer neue Ideen kamen (von nachgetanzten Traditionstänzen bis zu Karaokegesängen zu mir völlig unbekannten italienischen Liedern) und unsere Gespräche einfach kein Ende finden wollten. Richtig schön!

Als ich abends von meinem ausgedehnten Spaziergang durch Mailand zurückkam, gab es Qualitätsnudeln aus der Region Kampanien (laut Antongiulio die beste Region für Pasta in Italien) mit handgemachtem Pesto und Rucola. Oh weia, wenn das so weiterging mit dem leckeren Essen, würde ich nach den drei Wochen Italien wohl mit 5kg mehr auf der Waage zurück nach Deutschland fahren. Aber sei’s drum! Man lebt schließlich nur einmal und im Grunde hatte ich ja auch unter anderem wegen des guten Essens Italien als mein Sommerreiseziel ausgesucht.

Piatto Tricolore - ein wahrlich italienisches Gericht (grün der Rucola, rot die Tomaten und weiß der Parmesan)
Piatto Tricolore - ein wahrlich italienisches Gericht (grün der Rucola, rot die Tomaten und weiß der Parmesan)
Ein Genuss! Einfach und doch so gut.
Ein Genuss! Einfach und doch so gut.

Obwohl am nächsten Tag, Dienstag, dem 16.8. wieder einige Geschäfte geöffnet hatten, machte ich mir einen faulen Vormittag auf der Veranda meines vorübergehenden Zuhauses. Idyllisch zwischen riesigen Basilikumsträuchern und Rhododendronbüschen wartete ich auf die Rückkehr meines Gastgebers, der bis zum Nachmittag arbeiten musste. 

 

Gegen 6 Uhr fuhren wir beide mit dem Roller in ein anderes Viertel an den Kanal, genannt Naviglio. Mit dem Roller durch eine italienische Stadt! Was konnte es typischeres geben!!

Die Straßen um die Navigli (Kanäle) waren sehr idyllisch und ich war froh, dass die Zufälle mir einen weiteren Tag in Mailand beschert hatten, denn diese Gegend der Stadt war für mich fast die schönste und im Nachhinein kann ich sagen, dass ich etwas verpasst hätte, wenn ich sie nicht gesehen hätte. Vor meiner Abreise hatte ich bestimmte Bilder im Kopf, Bilder von kleinen Gässchen, italienischem Stimmengewirr und mediterranen Gerüchen – hier war genau das zu finden. Mit einem leckeren sizilianischen Snack (ein frittierter Reisball mit Gemüse und Schinken gefüllt) und einer Granita (feingestoßenes Wassereis mit Fruchtsirup) schlenderten wir durch die Straßen, beobachteten den Sonnenuntergang und landeten schließlich vor der nächtlichen Kulisse des Doms mit Vollmond im Hintergrund. Wow! 

Als wäre das nicht alles schon genug Italien an einem Tag gewesen, kochte Antongiulio als spätes Abendessen noch ein Safranrisotto, was meinem Aufenthalt in Mailand die Krone aufsetzte.


Da Antongiulio am nächsten Tag früh arbeiten musste, brachte ich ihm auf dem Weg zum Bahnhof die Hausschlüssel vorbei, wir tranken noch einen schnellen Kaffee – pardon, Espresso in unserem Sinne – und verabschiedeten uns, nicht ohne zu beteuern, dass wir uns hoffentlich bald nochmal treffen würden, bevor er auf seine Weltreise ging (ja, seine steht ihm noch bevor, der Glückliche!).


Kommentare: 1
  • #1

    Mama (Freitag, 02 September 2016 14:33)

    Du beschreibst so schön. Es liest sich alles sehr kurzweilig und machst Lust auf eine Reise dorthin. Vielleicht solltest du Reiseführer schreiben!