Wellington bis Taupo

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Als wir um zwei Uhr mittags in Wellington von Bord der Fähre fuhren, strahlte der Himmel blau und es war richtig warm. Um uns in der ersten größeren Stadt seit langem zu orientieren, waren wir erst in der Touristeninformation und im nahe gelegenen Supermarkt unsere Essensvorräte aufstocken, doch das war's dann auch schon wieder mit dem Trubel der neuseeländischen Hauptstadt, zumindest für diesen Tag. Wir hatten nämlich in Erfahrung gebracht, dass etwas außerhalb der Stadt ein Parkplatz mit Freedom-Camping-Erlaubnis lag, wo wir uns auf jeden Fall einen Platz sichern wollten. Wellington zu erkunden konnte auch noch bis zum nächsten Tag warten.  


Die Hauptattraktion von Wellington ist das Te Papa Museum, das Nationalmuseum Neuseelands. Da der Eintritt ausnahmsweise mal frei war (nicht so wie in Auckland, wo sie damals 25$ von jeder von uns wollten...), planten wir dort den ersten Stopp auf unserer Wellington-Tour am kommenden Tag ein. Zu unserer Überraschung waren die Ausstellungsräume zur Entstehung des Landes, der Flora und Fauna, der Einwanderung und der Maori-Kultur sehr ansprechend und interaktiv gestaltet. Überall konnte man Knöpfe drücken, Hebel umlegen, Schränke öffnen, Regler verschieben. Die Highlights waren der Erdbebensimulator (ein kleiner wie ein Wohnzimmer eingerichteter Raum, in den man trat und dann ruckelte es wie bei einem Erdbeben) und die kurze, aber eindrucksvolle Simulation der Fluggesellschaft Air New Zealand, die anlässlich ihres 75-jährigen Jubiläums eine Sonderausstellung im Museum organisiert hatten. Für die Simulation sollte man in echten Flugzeugsitzen Platz nehmen und eine spezielle Brille aufsetzen, ähnlich einer Tauchermaske. Allerdings waren die Gläser nicht durchsichtig, sondern kleine Bildschirme, die einen 360° Blick in eine Flugzeugkabine simulierten. Man konnte seinen Kopf beliebig in alle Richtungen drehen, die Brille lies es so wirken, als wäre man wirklich im Flugzeug. Während der fünf Minuten erzählte eine Stimme, wie die Zukunft der Luftfahrt aussehen könnt, z.B. mit verglasten Flugzeugen oder Brillen ähnlich denen, die wir jetzt auf hatten, die dem Fluggast schon vor Ankunft sein Reiseziel zeigten usw. Wirklich ein faszinierendes Erlebnis!

Da das Museum so viel zu bieten hatte, waren wir letztendlich viel länger dort als wir eigentlich geplant hatten. Es war schon drei Uhr als wir endlich das Gefühl hatten, alles gesehen zu haben und uns eine Verschnaufpause mit Kaffee und Kuchen im Museumscafé gönnten. Uns blieben noch zwei Stunden bis wir uns mit Chase treffen wollten. Chase war derjenige, den wir vor ein paar Wochen in Christchurch getroffen hatten und der uns zu gegebener Zeit zu sich nach Wellington einlud. Da wir uns nun in seiner Stadt befanden, haben wir ihm geschrieben und er bot uns an, das Wochenende mit ihm zu verbringen, nachdem er um fünf seine Arbeit beenden und uns am Museum abholen würde. Zwei Stunden Zeit, die sich ideal zum Blogschreiben eigneten. Während wir, vertieft in unsere jeweiligen Geräte, an einer Art Tresen saßen, wackelte eben dieser als wäre jemand dagegen gestoßen. Deshalb fiel es uns auch im ersten Moment nicht auf. Doch als das Wackeln einfach nicht aufhören wollte und wir beim Aufschauen sahen, dass auch Lampen und sogar wir selbst auf unseren Hockern hin und her schwankten, wurde uns klar: Ein Erdbeben!!! Wir erlebten gerade ein echtes Erdbeben!!! Vor nur wenigen Stunden standen wir noch im Simulator und nun folgte Vorführung in der Realität. Wow!!! Nach einigen Sekunden war das Spektakel aber auch schon wieder vorbei, die Mitarbeiter des Cafés hatten nicht einmal kurz innegehalten mit ihrer Arbeit. Es schien als wären die Menschen hier so etwas gewohnt.

Als wir uns kurze Zeit später mit Chase trafen, war das Erdbeben natürlich Gesprächsthema Nummer eins. Wir kauften etwas für's Abendessen ein und kochten gemeinsam. Es gab Fischfilet mit im Ofen gebackenen Kartoffeln und Pastinaken, dazu echtes deutsches Sauerkraut und Apfelrotkohl - die Mischung mag sonderlich klingen, aber wir kauften eben das, auf was wir Lust hatten, ungeachtet dessen, ob es zusammen passte oder nicht. Nach dem Essen wohnten wir einer Lightshow bei, die anlässlich des ANZAC Days gezeigt wurde. ANZAC steht für Australian and New Zealand Army Corps und es geht dabei um das Gedenken an den 25.4.1915, an dem australische und neuseeländische Truppen im Rahmen des Ersten Weltkriegs in der Schlacht von Gallipoli (Türkei) erhebliche Verluste erlitten. Die durch die Show hervorgerufene etwas beklemmende Stimmung verflüchtigte sich beim Barhopping, bei dem uns Chase ein paar seiner Lieblingslokale zeigte, ganz schnell wieder. Obwohl aufgrund des Feiertages am nächsten Tag schon alles um Mitternacht schloss, war das wirklich ein schöner Abend!

Da wir es sehr genossen, nach etlichen Tagen endlich mal wieder auf etwas anderem als unseren Schaumstoffmatratzen im Camper zu schlafen, blieben wir bis spät am Vormittag liegen. Gestärkt mit einem Frühstück mit Ei und gebratenem Speck, das wir uns hier in Neuseeland selbst nie zubereitet hätten, weil der Speck so unglaublich teuer ist, schlenderten wir etwas durch Wellingtons Straßen. In einem gemütlichen Café plauderten wir mit Chase über Gott und die Welt bis es schon wieder Zeit zum Abendessen war.  

Die Klinke der Cafétür war sowieso schon niedriger als normalerweise...
Die Klinke der Cafétür war sowieso schon niedriger als normalerweise...
... und dann erst dem riesenhaften Chase beim Öffnen der Tür zuzusehen, war sehr lustig.
... und dann erst dem riesenhaften Chase beim Öffnen der Tür zuzusehen, war sehr lustig.

Unser Gastgeber schlug uns ein Thai-Restaurant vor, bei dem BYO galt. BYO heißt Bring Your Own, was bedeutet, dass man seinen eigenen Wein mit ins Restaurant bringen darf. Dieser Samstagabend war das kulinarische Highlight des sowieso schon köstlichen Wochenendes, so gute Sachen hatten wir in dieser Fülle wirklich lange nicht mehr.

Schon ein bisschen angeheitert von den zwei Flaschen Wein zum Essen machten wir uns fertig für eine Hausparty, zu der wir zufällig am Vorabend von einem von Chase' Freunden eingeladen worden sind, den wir in einer Bar getroffen haben. Mit ein paar Flaschen Cider, was man hier gerne statt Bier trinkt, mischten wir uns unter das neuseeländische Feiervolk, wechselten weit nach Mitternacht von der Wohnung in eine Art Tanzbar und tanzten noch bis zum Morgen. Die Einsamkeit des Campens in aller Ehre, aber diese Nacht unter Leuten tat schon auch mal wieder sehr gut.


Obwohl wir uns bis dahin wirklich schon über vieles mit Chase unterhalten hatten, erfuhren wir die wohl spannendste Geschichte über ihn erst in unseren letzten Stunden in Wellington. Beim Essen ließ er eher beiläufig fallen, dass er in der Hobbit-Trilogie mitgespielt hat. Oha, das wollten wir aber genauer wissen! Uns so kam heraus, dass wir gerade mit dem Legolas-Double* an einem Tisch saßen. Na hola! Wer sich jetzt wundert, wie denn Chase den ihm überhaupt nicht ähnlich sehenden Orlando Bloom doubeln konnte, der ist mit seiner Frage nicht allein. Uns ging es genau so, doch Chase lieferte prompt die Erklärung: Um in Szenen, in denen Elfen, Menschen, Zwerge und Hobbits gleichzeitig auftreten, muss der Größenunterschied zwischen den hochgewachsenen Elfen und den kleineren Wesen wie Zwerge oder Hobbits deutlich sein. Da aber die Schauspieler in Wirklichkeit alle etwa gleich groß sind, braucht es Größendouble. In allen Szenen, in denen man also Legolas neben einer kleineren Figur sieht, kam Chase zum Einsatz. Durch seine Größe von über zwei Metern überragte er die „normalgroßen“, wie ein Elf jeden Mensch oder gar Zwerg überragen würde. Dann wurde die gleiche Szene nochmal mit Orlando Bloom gedreht und anschließend per Computer einfach das Gesicht ausgetauscht. So die simple Variante der Technik, schloss Chase seine Erklärung.

Daraufhin zeigte er uns stolz die einzige materielle Erinnerung, die er an die Drehzeit hat, da ihm strengstens und vertraglich verboten wurde, Fotos zu schießen: Seine originalen Elfenohren, von denen ihm für jede Szene ein neues Paar angefertigt wurde.  

Dank Original-Requiste der Hobbitfilme kurzzeitig zur Elfe mutiert
Dank Original-Requiste der Hobbitfilme kurzzeitig zur Elfe mutiert

Die „sozialen Reserven“ aufgetankt, bedankten wir uns bei Chase für das wirklich gelungene Wochenende und stiegen am späten Sonntagnachmittag wieder in unseren Camper. Wer hätte gedacht, dass aus dem beiläufigen Plausch in Christchurch die tolle Möglichkeit, in Wellington zwei so ereignisreiche Tage zu erleben, entstehen würde. Aber das ist ja das schöne am Reisen: Oft kommt es ganz anders als man denkt.

Neben Chase wirkt einfach jeder klein...
Neben Chase wirkt einfach jeder klein...

Das Wetter hatte sich anscheinend mit dem Start des Wochenendes auch eine Auszeit vom Sonnenschein genommen, denn pünktlich mit dem Sonnenuntergang am Freitag war's das mit blauem Himmel. Grau in grau und ab und zu ein Regenschauer waren nun angesagt. So ging es immer noch als wir am Tag nach unserer Abfahrt aus Wellington auf dem Camping-Platz in der Nähe des Tongariro-Nationalparks aufwachten. Nass, kalt und ungemütlich waren nicht unbedingt die Voraussetzungen für unser Vorhaben, das Tongariro Alpine Crossing in die Tat umzusetzen. Dabei wandert man nämlich ein oder sogar zwei Tage durch den Nationalpark zu einer wunderschön grün strahlenden Lagune auf einem Bergplateau und wieder hinunter (Besser bekannt ist Tongariro übrigens als Mordor). Doch da sich bis einschließlich Donnerstag das Wetter nicht bessern sollte, konnten wir nicht drei Tage warten und mussten leider diesen Plan verwerfen. Naja, ein paar Dinge müssen wir uns vielleicht auch für's nächste Mal, wenn wir nach Neuseeland kommen, aufheben ;-)

Genug der Nässe! Es soll endlich aufhören!
Genug der Nässe! Es soll endlich aufhören!
Mordor versinkt in Regenwolken
Mordor versinkt in Regenwolken

In Taupo angekommen besserte sich das Wetter etwas, doch für den Abstecher zu den Wairakei Hot Springs, natürlichen heißen Quellen ganz in der Nähe von Taupo, wäre auch Regen nicht schlimm gewesen.  

Der vermeintliche Sonnenschein währte aber nur kurz, noch beim Baden fing es schon wieder an zu tröpfeln und so blieb uns für den nächsten Tag wieder nichts anderes übrig als uns in die Bibliothek zu flüchten. Mit bangem Blick zum Himmel hofften wir beide, dass ein baldiger Umschwung nahte, denn einer der Hauptgründe für den Halt in Taupo war doch sehr wetterabhängig: Kristinas Fallschirmsprung. Der war eigentlich auf Donnerstag angesetzt, aber schon tags zuvor war absehbar, dass der Wind zu stark sein würde um in die Luft zu gehen. So beschlossen wir spontan – und um nicht noch mehr Zeit mit Rumsitzen zu vergeuden – an eben diesem Donnerstag, 30.4., die zweistündige Fahrt nach Norden ins kleine Örtchen Matamata vorzuziehen (eigentlich wären wir dort sowieso vorbeigekommen auf unserer Route) und das Filmset von Hobbingen (engl. Hobbiton) anzuschauen. Wir sind ja sonst recht bescheiden mit unseren Aktivitäten und können uns auch an der kostenlosen Natur erfreuen, aber einmal zwischen den Hügelhäusern der Hobbits zu spazieren, stand trotz des hohen Eintritts schon lange auf unserer To-Do-Liste. Mehr als „Es hat sich wirklich gelohnt, man fühlt sich tatsächlich wie im Film“ können wir zu unserem Besuch dort eigentlich auch gar nicht sagen, die Bilder sprechen für sich:

Nachdem uns der Wettergott zumindest für dieses Ereignis gut gestimmt war, hofften wir nun nur noch auf das „Go“ der Skydive-Firma in Taupo für Kristinas Sprung am ersten Mai. Denn wenn auch der Freitag wettertechnisch nichts für einen Fallschirmsprung sein sollte, konnten wir nicht länger warten und der Gutschein für dieses außergewöhnliche Erlebnis würde im schlimmsten Fall einfach verfallen...


* Entschuldigung an dieser Stelle an alle Leser, die nichts mit Der Herr der Ringe und Der Hobbit anfangen können/ sich nicht damit auskennen. Wir nehmen hier etliche Male Bezug auf die Filme, denn wenn man durch Neuseeland, den Hauptdrehort dieser bekannten Trilogien, reist, kommt man eigentlich gar nicht darum herum, ab und zu (zufällig) damit konfrontiert zu werden. Uns gefällt's, deswegen auch so viele Erwähnungen ;-)

Kommentare: 1
  • #1

    Mama Alena (Montag, 08 Juni 2015 14:38)

    Oh wie schön ist das alles!