Endspurt

Nach elf Stunden Reisemarathon durch Thailand nach Langkawi in Malaysia kam bei Ankunft an meinem gebuchten Hotel gleich der nächste Schocker: Die Tür des Hotels war verschlossen, im Inneren, das war durch die Glasfenster zu erkennen, war es dunkel und eindeutig kein Mitarbeiter anwesend. Auch vergebliches Klopfen an der Tür half nichts. Zum Glück kam zufällig ein Nachbar nach Hause, während ich etwas hilf- und planlos vor der Hoteltüre stand  und war so freundlich, die Hotelbesitzer anzurufen. Fünf Minuten später kamen die in ihrem Luxuswagen angebraust und ich konnte mein Bett im Mehrbettzimmer beziehen. Michael, sonderpädadogischer Erzieher aus Düsseldorf, war auch in meinem Dorm, mit ihm bin ich auch noch Abendessen gegangen. Außerdem gab es noch die Engländerin Carla, die aber erst am späten Abend ankam.

Sehr gemütlich eingerichtet: das Cattleya Inn mit seinen netten Besitzern
Sehr gemütlich eingerichtet: das Cattleya Inn mit seinen netten Besitzern

Schon beim Aufwachen habe ich das unheilbringende Geräusch gehört: Prasselnder Regen! Neeeeiiiin! Da bin ich extra aus Thailand ausgereist um dem Regen zu entkommen, hatte den ganzen Tag, den ich in irgendwelchen Minivans, Taxis und Fähren saß strahlenden Sonnenschein und dann geht es jetzt hier gleich an meinem ersten Tag auf der malaysischen Insel weiter mit dem ätzenden Regen, oder was?! Ich hätte echt fast 'nen Schreikrampf gekriegt. Ursprünglich wollte ich nämlich an dem Tag einen Roller mieten und mir ein bisschen die Insel anschauen, aber dieses Vorhaben fiel ja nun buchstäblich ins Wasser. Also saß ich mehr oder weniger den ganzen Tag im Hotel und habe mich um den Blog gekümmert (insofern hatte das miese Wetter auch was Gutes).

Als sich abends endlich die Wolken verzogen hatten, bin ich mit Carla zum nächtlichen Essensmarkt gelaufen, auf dem die Hölle los war. Gerade ist ja Ramadan, der Fastenmonat der Moslems, und Malaysia als mehrheitlich islamisches Land betrifft das natürlich auch. Zwischen dem 18. Juni und dem 17. Juli diesen Jahres dürfen die Gläubigen immer erst zu Sonnenuntergang wieder etwas essen und trinken. Das heißt konkret, dass zwischen 6:45 Uhr und halb acht abends jegliche Nahrungsaufnahme untersagt ist. Dementsprechend hungrig sind dann alle, wenn sie ihr Fasten brechen dürfen. Daher eben auch der unglaubliche Andrang.

Für acht Ringgit, also nicht einmal zwei ganze Euro, bekam ich ein grünes Chicken Curry, gebratene Nudeln, einen Liter Fruchtsaft (von einer mir unbekannten Frucht) und ein Stück Schokokuchen. Irre!!

Am nächsten Tag habe ich mich spontan den Plänen Carlas angeschlossen, die schon im Voraus eine Tour zu drei verschiedenen, kleinen Inselchen gebucht hatte.

Wir wurden um neun Uhr am Hotel abgeholt – natürlich ohne gefrühstückt zu haben, denn während des Fastenmonats machen die allermeisten Restaurants frühestens nachmittags auf – und wurden mit einem kleinen Speedboot zur ersten Insel gebracht. Während Carla ihrem Forscherdrang nachging (beruflich ist sie Wissenschaftlerin und arbeitet an einem Projekt mit Affen) und am Strand entlang die Insel erkundete, legte ich mich auf die faule Haut und genoss die Sonne, die nun endlich wieder schien. Nach einer Stunde wurden wir wieder eingesammelt und zur Adlerfütterung gefahren. Grundsätzlich bin ich zwar schon gegen diese Art von Vorführung der Tiere, da sie mit Futter angelockt werden und mit der Zeit das Jagen aufgeben und sich von den Menschen abhängig machen. Trotzdem war es toll, diese majestätischen Tiere beim Fliegen zu beobachten.

Die dritte Station der Tour war die Island of the Pregnant Maiden (Insel der schwangeren Jungfrau) mit einem Süßwassersee im Inneren. Für die asiatischen Touristen war das aus uns unerfindlichen Gründen ein totales Highlight, wir als Europäerinnen konnten diesem – entschuldigt den Ausdruck – stinknormalen See nicht so viel abgewinnen. Außerdem war es offiziell verboten, ohne Schwimmweste ins Wasser zu gehen (viele Menschen in Asien können nicht schwimmen; die Westen musste man logischerweise mieten), was die ganze Sache noch uninteressanter machte.

Nach etwa drei Stunden setzte uns das Boot wieder am Hafen ab. Da auch Carla noch für ein paar Tage an den Strand ziehen wollte, haben wir kurzerhand beschlossen, uns erstens ein Taxi von dem jetzigen Ort Kuah zum Stranddorf Cenang zu teilen und dort auch gemeinsam nach einem Zimmer zu suchen.

Gefunden haben wir ein einfaches Hotel in unmittelbarer Nähe zum Strand, was aber völlig unseren Ansprüchen genügte. Es war sauber, kühl und wir hatten ein eigenes Bad.

Den restlichen Nachmittag habe ich mich noch gesonnt und ein wenig gebadet. Carla war wieder wie schon beim Island Hopping lieber gehend am Strand unterwegs.

Für ein paar Cocktails am Abend haben wir uns aber wieder gemeinsam in eine Bar gesetzt und die Urlaubsstimmung genossen. Carla arbeitet momentan in Kuala Lumpur im Zoo an einem Forschungsprojekt mit Affen und hat fast ausschließlich muslimische Kollegen, die weder Alkohol trinken dürfen noch tagsüber essen. Dementsprechend ausgelassen hat vor allem, aber nicht nur sie all die Vorzüge genossen, die ein freies Leben ohne religiöse Einschränkungen bieten kann ;-)

Um eins wurden die Schotten der Bar dicht gemacht und wir sind glücklich ins Bett gefallen.



Da Carla erstens mit ihrem Kater und zweitens mit einem Text für ihre Arbeit beschäftigt war, mietete ich am nächsten Tag alleine einen Roller und fuhr einen Teil der Insel ab: Neben der größten Attraktion Langkawis, dem Cable Car, trieb es mich noch an den angeblich schönsten Strand der Insel, den Thanjung Rhu Beach im Norden und auf einen anderen Nachtmarkt, wo ich mich mal wieder durch eine Tüte voller unbekannter Leckereien gefuttert habe.

Da meine Fähre nach Penang* am 23.6. erst am späten Nachmittag abfuhr, hatte ich noch einen halben Tag Zeit, meine Bräune, mit der ich hoffentlich alle zu Hause neidisch mache, zu intensivieren ;-) Aber bei solch unguten Gedanken kommt die Strafe sofort: Nach all der Zeit in Asien, die ich sonnenbrandlos überstanden habe, traf es mich nun bei der letzten Möglichkeit doch noch einmal. So ein Mist!

Um 15Uhr wurde ich schließlich von meinem Shuttle abgeholt und zum Hafen gebracht. Nach der zweistündigen Fahrt mit der Fähre von Langkawi nach Penang verhandelte ich kurz mit einem Taxifahrer, der mich zum Haus meines Couchsurfers brachte und sogar noch so nett war, diesen anzurufen, nachdem klar war, dass keiner zu Hause war. Keine fünf Minuten später fuhr ein Auto vor und heraus stieg Mohamed, genannt Ziggy, mein Gastgeber der nächsten Tage und außerdem Nacho (aus Argentinien), seine französische Freundin Nina und Claire (auch Frankreich). Die drei waren ach Ziggys Gäste und genau im gleichen Alter wie ich.

Gemeinsam waren wir noch etwas essen, womit der Essensmarathon der nächsten Tage eröffnet war. Ziggy, dessen Eltern aus einer islamischen Region in Indien stammen, konnte uns immer die besten Gerichte und die besten Restaurants oder Stände dafür zeigen. Bubur Gadum, Naan, Pasembur, Nasi Lemak, Beriyani, Kacang Tumbuk, Cendol, Mee Goreng – welches der Gerichte, die ich aß nun welchen Namen trug, war mir eigentlich ziemlich egal. Hauptsache es schmeckte. Und das tat es sehr! Jeden Abend fühlten wir uns gemästet wie gestopfte Gänse. Ziggy hatte ja gut reden, uns immer zu noch und noch einem Ort zu bringen, wo es angeblich die beste Ausführung dieses oder jenes Gerichts gab. Er fastete ja den ganzen Tag und hatte nicht das Problem, statt laufen lieber rollen zu wollen...

Neben der allen übergeordneten Mission, uns das Essen von Penang näher zu bringen, blieb aber zum Glück noch Zeit, auch ein paar Sehenswürdigkeiten der Stadt selbst zu sehen. So zeigte uns Ziggy an einem Tag die Tempelanlage Kek Lok Si, an einem anderen besuchten wir ein Schokoladenmuseum, den botanischen Garten von Georgetown und noch zwei andere Tempel.

Am 25.6. hat uns Ziggy auf eine lieb gemeinte Rundfahrt um die Insel ins Auto geladen, doch mehr als Bäume und entgegenkommende Autos waren nicht zu sehen.

Claire wollte unbedingt die Stinkefrucht Durian essen, nach der sie fast schon süchtig war und es stellte sich heraus, dass auch Nacho und Nina noch nie Durian probiert hatten, sondern versehentlich eine Jackfrucht für das unerträglich stinkende Obst gehalten haben. Also haben alle an einem Verkaufsstand am Straßenrand Durian gegessen und auch ich hab nochmal probiert, obwohl ich eigentlich genau wusste, dass mir diese Frucht nicht schmeckt (ich erinnere mich mit einem Ekelschauer an das mit Duriancrème gefüllte Teigbällchen in Melaka auf dem Nachtmarkt). Und so war es kein Wunder, dass ich fast brechen musste, nachdem ich ein Stück Fruchtfleisch im Mund hatte. Pfui, pfui, pfui!!

So unspektakulär der Vor- und Nachmittag war, so erinnerungswürdig war dafür der Abend. Einer von Ziggys Bekannten, Ali, ist ein bekannter „Schlangenflüsterer“, dessen Vater sogar im Guiness Buch der Rekorde steht (für die längste Zeit, die ein Mensch in einem geschlossenen Raum mit 100 Kobras verbracht hat: 16 Tage). Er fing ganz harmlos an und ließ uns erst einmal nur die Papageien und Kakadus halten. Dann zog er jedoch eine große Kiste hervor, hob den Deckel und heraus schoss eine Kobra! Aber Ali hatte die Situation sofort im Griff und lotste die giftige Schlange wieder zurück in ihre Box. Daraufhin hievte er unter Höchstanstrengung eine weitere Kiste aus dem Regal: Eine ausgewachsene Albino-Anaconda. Die durfte jeder von uns mal auf die Schultern nehmen und für die Kamera posieren. Wer einmal so eine Schlange in der Hand hatte kennt das Gefühl, das dieser lebendige Muskel in einem hervorrufen kann. Allein die Schwanzspitze hatte so viel Kraft, dass es mir das Blut abgedrückt hat als sie sich um mein Handgelenk schlang...

Nach der Schlangenbegegnung brachte uns Ali mit seinem Pick Up auf den Penang Hill, auf den wir als Touristen eigentlich nur mit einer Seilbahn für umgerechnet je 8€/Person hochgekommen wären.

Von dort oben wirkte Georgetown wie hingemalt, denn der Blick von der Aussichtsplattform war sagenhaft, die ganze Stadt hat geglitzert.

Toller Blick auf Georgetown bei Nacht
Toller Blick auf Georgetown bei Nacht
Sheila wollte unbedingt mal größer sein als ich ;-)
Sheila wollte unbedingt mal größer sein als ich ;-)

Am 26.6. haben mich Ziggy, Nacho, Nina und Claire alle zum Busbahnhof gebracht und mir noch einen tollen letzten Tag in Malaysia gewünscht. Denn viel mehr war von ehemals neunmonatigen Weltreise nicht mehr übrig: Für den 27.6. um 20:05 Uhr hatte ich bereits seit Monaten das Rückflugticket nach Deutschland in der Tasche....

Auf der Busfahrt hatte ich eine super nette Sitznachbarin, Sheila. Wir haben uns die ganze Zeit unterhalten und so vergingen die viereinhalb Stunden Fahrt wie im Flug. Als ich in Kuala Lumpur ankam, hat Omar (mein Coucher vom ersten Mal Kuala Lumpur) zwar schon an der Haltestelle gewartet um mich abzuholen, allerdings war er dabei, sich um eine Frau zu kümmern, die blutend da stand, weil sie anscheinend hingefallen ist. So ging das Wiedersehen etwas in blutenden Taschentüchern unter. Ich habe natürlich sofort mitgeholfen, die Frau mit frischen Tempos zu versorgen und versucht sie zum Setzen zu bewegen oder ihr ein Taxi zu rufen, aber nichts wollte sie. Ihr Sohn komme ja gleich, nur noch ein paar Minuten. Dabei ist immer wieder Blut auf die Straße getropft, was ich irgendwann nicht mehr sehen konnte und mich selbst setzen musste. Ich bin eindeutig nicht für sowas gemacht....

 

Um wieder zu Kräften zu kommen, sind Omar und ich gleich im Anschluss  indisch essen gegangen  und gönnten uns danach noch einen sagenhaft leckeren Kuchen. Mit einem Abstecher zum Unabhängigkeitsplatz endete meine letzte Nacht auf Reisen eher unspektakulär, aber trotzdem schön. Muss ja nicht immer alles mit Pauken und Trompeten auf hochdramatische Weise passieren.

Am 27.6., meinem letzten der insgesamt 276 Reisetage (man beachte diesen Datums-Zahlen-Zufall!) habe ich ausgeschlafen und noch einmal ein paar Bahnen im Pool gezogen, bevor meine beiden Chinesinnen aus dem Tauchkurs vor Omars Tür standen. Ich hatte den beiden schon vorher Bescheid gesagt, dass ich vor meinem Abflug nochmal in KL sein würde und ich es super schön fände, wenn wir alle zusammen noch etwas essen gehen könnten. Meine drei Lieblingsmalaysier haben mich also noch einmal so richtig hoch leben lassen bei einem Essen, das jedem Staatschef gerecht geworden wäre. Am Ende hat Moon mir sogar noch eine Tüte mit Gebäck in die Hand gedrückt. „Dass du auf dem Flug was zu essen hast.“ Oh Moon, vielen Dank, sonst wäre ich vermutlich wirklich verhungert ;-)

Schließlich haben mich die drei zum Busterminal gebracht und mir mit aufrichtig wohlwollenden Blicken alles Gute für die Zukunft und natürlich einen guten Heimflug gewünscht. Ich konnte es kaum glauben, aber als ich im Bus zum Flughafen saß, ging nun wirklich meine Zeit auf Reisen zu Ende...

Was für eine geniale Zeit da hinter mir liegt, neun Monate voller Leid und Freud', neuer Bekanntschaften und mindestens einer Million Eindrücke. Keinen einzigen der 276 Tage habe ich bereut und würde jederzeit ohne zu zögern wieder eine Reise dieser Art antreten. Und trotz alledem freue ich mich auch sehr, wenn ich Familie und Freunde wieder sehe.

Denn so schön die große, weite Welt auch ist, es gibt eben nur ein

ZU HAUSE.


* Penang ist der Name der kompletten Insel, die Stadt an sich, in der ich war, hieß Georgetown. Da aber nicht mal in Malaysia genau unterschieden wird, benutze ich die beiden Namen synonymisch für die Stadt.

Kommentare: 1
  • #1

    Mama (Sonntag, 12 Juli 2015 08:29)

    JA, so ist das mit dem Zuhause!
    Und wir sind alle unheimlich stolz auf dich und freuen uns total, wenn du endlich wieder hier bist!